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Das Hambacher Fest von 1832

Kristian Buchna

Es gärte in Europa

Zu Beginn der 1830er Jahre wuchs in Europa die Unzufriedenheit mit den politischen Verhältnissen. Wirtschaftliche Krisen und soziale Not verschärften die Lage zusätzlich. Vielerorts kam es zu Erhebungen gegen die herrschenden Fürstenhäuser. Das bedeutendste Protestereignis auf deutschem Boden fand in Neustadt/Hambach statt. Denn in der Pfalz, die seit 1816 als „Rheinkreis“ zum Königreich Bayern gehörte, war der Unmut besonders groß.

Wiege der deutschen Demokratie

Vom 27. Mai bis zum 1. Juni 1832 zogen etwa 30.000 Menschen aufs Hambacher Schloss, um für ein geeintes Deutschland, politische Grundrechte und ein solidarisch verbundenes Europa einzutreten. Es waren Männer und Frauen aus allen sozialen Schichten. Zum Symbol ihrer Forderungen wurde eine schwarz-rot-goldene Fahne, ihr Träger war der Neustadter Kaufmann Johann Philipp Abresch. Eine europäische Dimension erhielt die „erste politische Volksversammlung in der neueren deutschen Geschichte“ (Theodor Heuss) durch die Mitwirkung von Polen und Franzosen.

Bleibendes Erbe

Für die Obrigkeit war das Hambacher Fest ein Skandal. Die Angst vor einem revolutionären Flächenbrand war groß. Die Redner und Organisatoren wurden verhaftet oder ins Exil getrieben. Doch sowohl die zukunftsweisenden Ideen als auch das Symbol des Hambacher Festes überdauerten diese Verfolgungswelle. Schwarz-Rot-Gold ist bis heute das Symbol des freiheitlichen, rechtsstaatlichen und demokratischen Deutschland.

> Das Ausstellungsexponat ist die Tabakdose von Johann Philipp Abresch.

Ohne Neustadter Bürger kein Hambacher Fest

Lutz Frisch

Im Frühjahr 1832 planten Neustadter Bürger für den 26. Mai ein Verfassungsfest. Philipp Jakob Siebenpfeiffer, der Ende März nach Haardt gezogen war, schlug stattdessen ein
„Nationalfest“ am 27. Mai vor. Damit sollte ein Forum für das liberale Gedankengut geschaffen werden, dessen Verbreitung die Regierung durch Verbote verhinderte. Die Einladung mit dem Titel „Der Deutschen Mai“ verfasste Siebenpfeiffer am 20. April; sie wurde von 32 „Festordnern“ unterzeichnet, von denen 29 in Neustadt oder heute eingemeindeten Ortsteilen lebten. Die meisten gehörten zu den 189 Mitgliedern der Neustadter Filiale des „Preßvereins“. Sie unterstützten durch monatliche Beiträge die vom Druckverbot der Regierung betroffenen Journalisten wie Siebenpfeiffer und Wirth.

Als erste Maßnahme ließen die Festordner den Weg von Oberhambach zum Schloss verbreitern und das Schlossgelände von Schutt und Wildwuchs befreien. 1823 war das Schloss mit umliegendem Gelände auf dem Weg einer Versteigerung in das Privateigentum von 14 Neustadter Bürgern gelangt.

Der Auflage, es der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, kamen sie mit ihrer Zustimmung zu dem geplanten Fest nach. Völlig überraschend verbot die Regierung am 9. Mai 1832 das geplante Fest als „seditiös und gesetzwidrig“. Dagegen erhob sich Widerstand in der ganzen Pfalz. In Neustadt protestierten Festordner, Stadtrat und Bürgermeister Ludwig Dacqué gegen das Verbot. Sie wollten für die Einhaltung von Sicherheit und Ordnung sorgen. Unter diesem Druck lenkte die Regierung am 17. Mai ein. Damit blieben aber nur noch 10 Tage für die Vorbereitung des Festes.

Für den Folgetag berief Bürgermeister Dacqué eine Sondersitzung des Stadtrats ein. Die Ratsmitglieder selbst übernahmen Aufgaben wie Absprachen mit den Festordnern, die Stallwache im Rathaus und die Erfassung von Privatquartieren. Es wurden aber auch Bürger und Gruppierungen einbezogen: die 40 Mitglieder der bestehenden Sicherheitsgarde, die 5 Inhaber von Tanzsälen und alle Handwerksmeister, die auf ihre Gesellen einwirken sollten. Namentlich benannt wurden 36 Aufseher (plus 4 Vertreter) für Zug und Feier und 153 Männer (plus 48 Vertreter), die an den Festtagen als „Bürgergarde“ die Stadt sichern sollten. Alle Maßnahmen zielten auf die Bewahrung von Sicherheit und Ordnung.

Die Festordner mussten den Festzug und die Feier auf dem Schlossgelände detailliert planen: Start am Neustadter Marktplatz, Uhrzeit, Reihenfolge der Gruppen, Musikbegleitung sowie Geschützdonner beim Abmarsch und beim Eintreffen auf dem Schloss. Liedertexte und dreifarbige Kokarden bot der Festordner Philipp Christmann in seiner Buchhandlung am Marktplatz an (heute Scheffelhaus). Auf dem Schlossberg galt es, Tische und Bänke für das Mittagsmahl von 1400 Besuchern zu errichten; Bons für die Speisen mussten verkauft und die Lieferung durch Neustadter Wirte organisiert werden. Für die vielen anderen Besucher wurden Buden, Garküchen und Ausschankstellen etabliert. Für Redner wurde eigens eine Bühne gebaut; vier Festordner regelten die Abfolge der Reden, die von Trompetensignalen zweier junger Neustadter angekündigt wurden. Vier Neustadter kamen beim Fest zu Wort, zwei weitere bei der Rückgabe der Fahnen in der Stadt.

 

Beim Hambacher Fest engagierte sich ein Großteil der rund tausend männlichen Neustadter Bürger. Einzeln und in Gruppierungen mobilisierten sie alle Kräfte. Es handelte sich um eine frühe Bürgerinitiative. Ohne sie hätte es das Hambacher Fest nicht gegeben.

Warum Hambach? Warum Neustadt?

Kristian Buchna

Deutschland und die Pfalz sind reich an mittelalterlichen Burg- und Festungsanlagen. Dennoch war es kein Zufall, dass im Jahr 1832 das große „Nationalfest der Deutschen“ auf dem Berg rund um das Hambacher Schloss sowie in Neustadt stattfand. Gleich mehrere Gründe sprachen dafür:

Im Zeitalter der Romantik wurden Ruinen vielerorts als Sehnsuchtsorte wiederentdeckt – sei es als Symbole der Vergänglichkeit oder als Erinnerungen an eine idealisierte Vergangenheit. Die am Haardtrand gelegene, weithin sichtbare Ruine des Hambacher Schlosses war ein solcher Sehnsuchtsort. Er hatte sich zudem seit Beginn des 19. Jahrhunderts als Ort politischer und festlicher Zusammenkünfte etabliert. So feierte man hier Mitte Oktober 1814 mit großen Freudenfeuern den ersten Jahrestag der Völkerschlacht bei Leipzig.

Im Zuge der politischen Neuordnung Europas nach der Niederlage Napoleon Bonapartes fiel die Pfalz 1816 als „Rheinkreis“ an das Königreich Bayern. Wohlhabende Bürger aus Neustadt ersteigerten das Schloss und die umliegenden Waldstücke jedoch im Jahr 1823 für 625 Gulden, so dass es der Öffentlichkeit zugänglich blieb. So fand 1828 auf dem Schloss der Abschluss eines großen Musikfestes statt. Und am 29. Juli 1831 kamen auf dem Schlossberg zur Erinnerung an den ersten Jahrestag der Französischen Julirevolution rund 200 Personen zusammen.

Ohnehin gab es in Neustadt ein engagiertes, liberal gesinntes Bürgertum, das sich angesichts zunehmender Zensurmaßnahmen durch die bayerische Regierung mit Nachdruck für die Pressefreiheit einsetzte. Mit 190 Mitgliedern war Neustadt eine Hochburg des „Deutschen Vaterlandsvereins zur Unterstützung der freien Presse“, der maßgeblich an der Planung und Durchführung des Hambacher Festes beteiligt war. Bewusst zog mit Philipp Jakob Siebenpfeiffer ein führender Kopf des „Pressvereins“ am 29. März 1832 nach Haardt.

Wäre es nach dem Neustadter Geschäftsmann Karl Thum gegangen, so wäre das Hambacher Fest eine von damals zahlreichen Feierlichkeiten zu Ehren der Verfassung des Königreichs Bayern von 1818 geworden – und damit sicherlich nicht in die Geschichtsbücher eingegangen. Am 18. April 1832 hatte er für den 26. Mai, dem Jahrestag der bayerischen Verfassung, zu einer Huldigungsfeier eingeladen. Doch die freiheitlich Gesinnten reagierten umgehend und letztlich erfolgreich mit einer Umwidmung jener geplanten Feier: Bereits am 20. April 1832 erging aus der Feder Siebenpfeiffers eine breit gestreute Einladung zu einem „Fest der Hoffnung“, das am 27. Mai 1832 auf dem Hambacher Schloss stattfinden sollte. Als Ziele wurden die „Abschüttelung innerer und äußerer Gewalt“ sowie die „Erstrebung gesetzlicher Freiheit und deutscher Nationalwürde“ ausgegeben.

Unterzeichnet wurde die Einladung von 32 Bürgern aus Neustadt und Umgebung. Zu ihnen gehörte der spätere Fahnenträger Johann Philipp Abresch sowie der Buchhändler und Verleger Philipp Christmann, in dessen Buchhandlung am Marktplatz (Scheffelhaus) man neben Liedblättern für den Festzug zum Schloss auch schwarz-rot-goldene Kokarden erwerben konnte. Sie stehen beispielhaft für ein politisches Engagement, ohne das die Organisation und Umsetzung des Hambacher Festes nicht möglich gewesen wäre


Die Winzer und das Hambacher Fest

Kristian Buchna

Für das leibliche Wohl und die Geselligkeit war beim Hambacher Fest reichlich gesorgt. Dies lässt sich bereits bei einem Blick auf die berühmte Federlithografie von Erhard Joseph Brenzinger zum „Zug auf das Hambacher Schloss“ erahnen. Sie zeigt nicht nur unterhalb des Schlosses die Tischreihen für die Teilnehmer des exklusiven Festmahls. Entlang des Weges hinauf zum Schloss finden sich darüber hinaus elf Hütten und Zelte „der Restaurateurs und Wirthe“.

Es würde jedoch in die Irre führen, die Rolle der hiesigen Winzer beim Hambacher Fest auf die der Weinlieferanten zu reduzieren. Vielmehr brachten sie sich intensiv in das Festgeschehen ein, zogen mit Abordnungen hinauf zum Schloss, stimmten eigene Protestlieder an und traten als politische Redner in Erscheinung. Doch der Reihe nach. 

Neben der Land- und Forstwirtschaft war es vor allem der Weinbau, der den Wirtschaftsraum der Pfalz geprägt hat. Die Anbaufläche umfasste damals etwa 6.000 Hektar (heute sind es rund 23.800 Hektar). Wein war das wichtigste landwirtschaftliche Exportprodukt – gefolgt vom Tabak. Doch die Einverleibung der Pfalz in das Königreich Bayern stellte alle exportorientierten Unternehmen vor große Probleme. Plötzlich war der Bayerische Rheinkreis von Staaten umgeben, die ihre heimischen Gewerbe mit Zöllen schützen wollten.

Selbst bei Exporten in das rechtsrheinische „Mutterland“, zu dem keine direkte Landverbindung bestand, musste der Pfälzer Wein verzollt werden – eine Schutzmaßnahme der Bayern zugunsten ihres Frankenweins. Darüber hinaus war die Steuerlast im Rheinkreis deutlich höher als im rechtsrheinischen Bayern. Da nur ein geringer Teil der Abgaben in die Pfalz zurückfloss, herrschte in weiten Teilen der Bevölkerung der Eindruck, vom bayerischen Staat ausgebeutet zu werden. Am Ende der 1820er und zu Beginn der 1830er Jahre verschärften besonders harte Winter und Missernten die ohnehin große wirtschaftliche und soziale Not.

Unzufriedenheit mit der wirtschaftlichen Lage oder gar Existenzängste waren für viele Winzer zentrale Gründe zur Teilnahme am Hambacher Fest. Eine Abordnung von Dürkheimer Bürgern versammelte sich beim Hambacher Fester hinter einer schwarzen Fahne mit der Aufschrift „Die Weinbauren müssen trauren!“. Wie eng bei den Winzern jedoch wirtschaftliche und politische Motive verknüpft waren, zeigt das eigens für das Fest geschriebene „Winzerlied“, dessen Autor höchstwahrscheinlich der Dürkheimer Weingutsbesitzer Johannes Fitz (1796-1868) war. Es heißt darin: 

Wir wohnen in dem schönsten Land auf Erden,
von Gottes Segen voll. 
Doch müssen wir noch all’ zu Bettlern werden 
durch den verdammten Zoll! 


Die freie Presse, Brüder! sie soll leben, 
sie macht vom Zoll uns frei, 
Denn wo man darf die Stimme frei erheben,
kommt alles noch in Reih’.

Für die im Pfälzer Weinbürgertum weitverbreitete liberale Gesinnung steht beispielhaft der Neustadter Weingutsbesitzer und Kaufmann Friedrich Deidesheimer (1804-1876). In seiner Rede auf dem Hambacher Fest erteilte er – ganz Liberaler – revolutionären Umwälzungen eine Absage. Zugleich trat er unter dem Wahlspruch „Es lebe die Freiheit, es lebe die Ordnung!“ für politische Grundrechte und Freihandel ein:

„Wir wünschen unsere Verfassung zu erhalten, die uns Freiheit der Rede und der Presse sichert, und auch wohl zu Freiheit des Handels und Vernichtung der Wohlstand und Sitten verderbenden Zwischen-Mauthen [Zölle] führen muss. Darum Freunde lasst uns fest aneinanderhalten; wird Einer in seinen Rechten gekränket, so seien wir es alle!“

Die Winzer haben dem Hambacher Fest somit ihre ganz eigene Note verliehen.

Verfolgung und Solidarität nach dem Hambacher Fest

Kristian Buchna

Das Hambacher Fest verlief friedlich und in überaus geordneten Bahnen. Angesichts der enormen Teilnehmerzahl von rund 30.000 Personen und der damaligen Einwohnerzahlen von Neustadt (rund 6.000) und Hambach (rund 2.000) ist das durchaus bemerkenswert. Neben der Disziplin der Beteiligten war dies vor allem ein Verdienst der Neustadter Festordner und der Sicherheitsgarde („Bürgergarde“).

Aus Sicht der herrschenden Fürstenhäuser war der Verlauf des Festes jedoch alles andere als ordnungsgemäß. Die von ihnen entsandten Beobachter und Spitzel wurden Zeugen von so manch aufrührerischen Liedern oder Reden. Besonders gern gesungen wurde das Lied „Fürsten zum Land hinaus“, dessen Titel quasi Programm war. Doch die Popularität solch revolutionärer Gesänge steht nicht stellvertretend für den politischen Tenor des Hambacher Festes. Die Mehrheit der Wortführer lehnte eine Revolution strikt ab. Selbst zu einer weiterführenden politischen Aktion sahen sich die führenden Köpfe des Hambacher Festes nicht ermächtigt, weshalb eine Zusammenkunft im Neustadter Schießhaus am 28. Mai 1832 weitgehend ergebnislos verlief.

Doch bereits Forderungen nach politischen Grundrechten klangen in reaktionären Ohren revolutionär. „Im Bayerischen Rheinkreis herrscht die totale Anarchie“, so lautete mit Blick auf Hambach die Einschätzung eines russischen Diplomaten. Und weiter: „Die Provinz wird zum Vorbild für die Erhebung in allen anderen deutschen Staaten“. Tatsächlich war auch in Berlin und Wien die Angst vor einem revolutionären Flächenbrand groß. Nicht zuletzt auf preußisch-österreichischen Druck hin ging die bayerische Regierung hart gegen die vermeintlichen Umstürzler vor. Insbesondere die Organisatoren und Redner des Hambacher Festes wurden verfolgt und – sofern sie nicht ins benachbarte Ausland geflohen sind – inhaftiert.

Auf zwei Dinge konnten sich die meisten Verfolgten jedoch verlassen: auf die Solidarität ihrer Mitstreitenden sowie auf ordentliche Gerichtsverfahren. Als sich etwa am 18. Juni 1832 die Kunde von der Verhaftung Philipp Jakob Siebenpfeiffers verbreitete, läutete die Sturmglocke und es versammelten sich zahlreiche Neustadter – darunter Johann Philipp Abresch – an seinem Wohnhaus in Haardt, um ihm beizustehen. Mit vier Wagen eskortierte man ihn auf dem Weg ins Gefängnis nach Zweibrücken. Frauen gründeten Vereine zugunsten inhaftierter oder geflohener „Hambacher“ und ihrer Familien und unterstützten diese mit Geld und Sachleistungen.

Das Hauptverfahren gegen 13 wegen „Aufreizung zum Umsturz der Staatsregierung“ angeklagte Initiatoren und Hauptredner des Hambacher Festes fand nach den im Rheinkreis noch geltenden Bestimmungen des französischen Rechts mündlich und öffentlich vor einem Geschworenengericht statt (Landauer Assisenprozess). In seiner Verteidigungsrede dankte Siebenpfeiffer für die Unterstützung und Präsentkörbe, „womit unsere Mitbürger und Mitbürgerinnen aus so vielen Orten, namentlich dem muthigen, stets ungebeugten Neustadt […] während der langen Haft uns erfreuten.“ Wie ein Lauffeuer verbreitete sich am 16. August 1833 die sensationelle Nachricht vom Freispruch aller Angeklagten. Die bayerische Regierung musste daraufhin zum Notbehelf einer Anklage wegen Beamtenbeleidigung greifen, die vor regierungstreuen Zuchtpolizeigerichten verhandelt wurden und an deren Ende Verurteilungen zu Haftstrafen standen.

Auch der Deutsche Bundestag mit Sitz in Frankfurt reagierte auf das Hambacher Fest und andere Protestereignisse in dessen Umfeld. Vereine und Volksversammlungen wurden verboten und die Pressezensur verschärft. Zudem stand künftig das Aufstellen von Freiheitsbäumen ebenso unter Strafe wie das Tragen von „Aufruhrzeichen“ wie Schwarz-Rot-Gold. Eine eigens in Frankfurt eingerichtete Zentraluntersuchungsbehörde sammelte Informationen über Oppositionelle und leitete diese an die Einzelstaaten weiter. Im sogenannten „Schwarzen Buch“ dieser Behörde finden sich die Namen vieler Neustadter mitsamt Anklagepunkten und Urteilen. Im Falle Johann Philipp Abreschs verzeichnet das Buch eine 6-tägige Gefängnisstrafe wegen seines Protestes gegen Bundesbeschlüsse sowie eine einmonatige Gefängnisstrafe wegen Beleidigung des Landkommissärs am 1. Jahrestag des Hambacher Festes. An diesem 27. Mai 1833 waren Neustadt und der Hambacher Schlossberg von bayerischem Militär belagert worden. Deren Wille zur Unterbindung eines neuerlichen großen Protestfestes endete in einem Gewaltexzess mit zwei Todesopfern und zahlreichen Verletzten.

Langfristig ließen sich jedoch weder die Hambacher Forderungen unterdrücken noch schworen die verfolgten Akteure ihren Überzeugungen ab.

Erinnerungen an das Hambacher Fest in Bildern und Musik

Lutz Frisch und Gerhard Hofmann

Das Hambacher Fest von 1832 fand seinen Niederschlag in zahlreichen schriftlichen Zeugnissen und Beschreibungen. Zu der sich entwickelnden Erinnerungskultur gehörte auch die Produktion von Gegenständen, die an das Fest erinnern sollten. Männer trugen breitkrempige Hüte nach dem Vorbild der Festordner, auf Pfeifenköpfen und Tellern wurde die Hambacher Schlossruine abgebildet. Zur Sonntagsgarderobe der Frauen gehörte eine lithografisch bedruckte Schürze mit dem Motiv des Festzugs. Aufwändig von zwei Steinen bedruckt wurde das sogenannte Hambacher Tuch. Auf der Textilie sind im Kreis die Porträts von sechzehn Männern mit Verbindung zum Hambacher Fest angeordnet, darunter Siebenpfeiffer und Wirth. Auch zwei Neustadter Bürger sind dabei: der Fahnenträger Johann Philipp Abresch und der Landtagsabgeordnete Johann Jakob Schopman. Nicht alle der porträtierten Persönlichkeiten hatten allerdings auch am Fest teilgenommen. In der Mitte des Tuchs ist der Zug der Festteilnehmer zur Schlossruine zu sehen. 

 Die bekannteste bildliche Darstel-lung der Ereignisse vom 27. Mai 1832 ist Erhard Joseph Brenzingers Federlithografie mit der Darstellung des Festzuges. Sie entstand als Beilage zu der Mitte Juni 1832 in Karlsruhe erstmals erschienenen Zeitschrift „Der Zeitgeist“, initiiert und redigiert von Brenzingers Freund Karl Mathy. Brenzingers Lithografie des Festzugs wurde in der Zeit nach dem Hambacher Fest von anderen Grafikern mehrfach übernommen. Dazu gehören die Variationen auf der Hambacher Schürze, dem Hambacher Tuch und die Federlithografie in dem vom Neustadter Buchhändler Philipp Christmann herausgegebenen Volkskalender „Der Bote vom Haardtgebirge für das Jahr 1833“.

Die beiden ersten zur Erinnerung an das Hambacher Fest entstandenen druckgrafischen Darstellungen stammen allerdings von dem seinerzeit in Neustadt ansässigen Mathias Johann Carl Thum (1810-1899). Es handelt sich um eine schon am 25. Mai 1832 im Neustadter Wochenblatt offerierte Kreidelithografie mit dem Bild der Schlossruine und eine am 2. Juni 1832 im Landauer Eilboten veröffentlichte Federlithografie mit der Darstellung der tafelnden Festteilnehmer vor der Kulisse des Hambacher Schlosses.

Auch mit Musikstücken sollte die Erinnerung an die Hambacher Ereignisse lebendig gehalten werden. Beim Musikverlag Schott´s Söhne in Mainz erschienen 1832 und 1833 vier Kompositionen für Piano, die alle nach dem Ort des Festes benannt sind: Hambacher Walzer, Hambacher Galoppade, Hambacher Favorit Marsch und 2. Hambacher Favorit Walzer. Das Titelblatt des Favorit Marsches schmückt eine Lithografie nach Brenzingers Darstellung des Festzuges, die Titelblätter der drei anderen Ausgaben zeigen Variationen nach Thums Erinnerungsblatt mit dem Bild der Schlossruine.

In den Notenheften findet sich kein Hinweis auf den Komponisten der vier Musikstücke. Als Urheber kommt mit dem jungen Pianisten und Komponisten Johann Ludwig Dacqué ein weiterer Neustadter infrage.  Sein Vater Ludwig Dacqué war während des Hambacher Festes Neustadter Bürgermeister und bemühte sich um die Aufrechterhaltung von Sicherheit und Ordnung. Außerdem war Ludwig Dacqué Inhaber einer Papierfabrik im Schöntal und stand in enger Geschäftsverbindung mit dem Musikverlag Schott´s Söhne. Dacqués Fabrik lieferte Papier für den Druck der Notenhefte nach Mainz.

Frauen und das Hambacher Fest 1832

Hiltrud Funk

„Deutsche Frauen und Jungfrauen, deren politische Mißachtung in der europäischen Ordnung ein Fehler und Flecken ist, schmücket und belebet die Versammlung durch eure Gegenwart! Kommet Alle herbei zur friedlichen Besprechung, inniger Erkennung, entschlossener Verbrüderung für die großen Interessen, denen ihr eure Liebe, eure Kraft geweiht.“ So luden die Festordner zum Hambacher Fest ausdrücklich auch Frauen und Mädchen ein. „Schmücken und beleben“ wurden den Frauen als Funktion beim Hambacher Fest zugeordnet. Keine einzige Rednerin trat während des Hambacher Festes auf. Und doch kann das Hambacher Fest als eine für die Frauenbewegung in Deutschland wichtige Station in der Erringung der Gleichberechtigung gelten. Es stärkte das Bewusstsein für Frauenrechte und ermutigte Frauen, auch den politischen Raum zu erobern.

Bereits vor dem Hambacher Fest zeigten Frauen ihre Solidarität mit den polnischen Freiheitskämpfern, die für Nationalität und Freiheit eintraten und fliehen mussten. Ein Neustadter Frauenverein gründete sich Anfang 1832 zur Unterstützung der Polen. Begeistert dankte ein polnischer Teilnehmer des Hambacher Festes für „die Volksfahne, das schätzbare Werk eurer Hände, ein Wahrzeichen eurer und aller edlen deutschen Frauen Sympathie für unsere Sache, für die Sache der Menschheit."

Frauen nahmen aktiv am Hambacher Fest teil wie auch die zahlreichen Bilder des Zuges zum Hambacher Schloss belegen. Sie liefen am Anfang des Zuges direkt hinter der Musikkapelle der Bürgergarde. Nur wenige Namen sind bekannt: Catharina oder Christina Baader, Anna Elisabeth Diesberger, Catharina Fritzweiler, Maria Heckel, Franziska Helfferich, Magdalena Hepp, Sophia Julia Hornig, Elisabeth (Liesel) Hornig, Luise Klein, (Anna) Marie Klein, Luise Knöckel, Rosa Lembert, Julia Lenz, Elisabeth (Liesel) Mohr jun., Bianka Penner, Margarethe Theresia Rassiga, Anna Margaretha Ries sowie Dorothea Schimpf(f).

Die von Johann Philipp Abresch getragene Hauptfahne mit den deutschen Farben wurde vermutlich von Neustadter Frauen geschaffen und von dessen Witwe Anna Maria bei verschiedenen Jubiläumsfeiern zur Verfügung gestellt. Zur Unterstützung und zum Bekanntmachen des Hambacher Festes und seiner Forderungen wurden vielfältige Devotionalien produziert und verteilt. Schwarz-rot-goldene Schärpen, Kokarden und Fahnen symbolisierten das Bekenntnis zu den Ideen des Hambacher Festes. Die sogenannte Hambacher Schürze war weit verbreitet und bestand aus mit dem Zug aufs Schloss bedrucktem Stoff, der von Frauen zu Schürzen gearbeitet wurde.

Die Reaktion der Regierung und der Justiz ließ nicht lange auf sich warten. Eine Verhaftungswelle setzte ein. Viele flohen, wanderten aus oder wurden eingekerkert.  Frauen gründeten den „Frauen und Mädchen-Verein am Haardtgebirge zur Unterstützung der Familien eingekerkerter und verbannter deutscher Patrioten“, eine deutliche politische und soziale Absicht verfolgend.


Jubiläumsausstellung »750 Jahre Stadtrechte«
Autor: Stadtarchiv